Walter Benjamin und Siegfried Kracauer zur Krise des modernen Denkens
mit einem Vorwort von Wolfgang Eßbach
Frankfurt am Main / Bern / New York: Peter Lang, 2001
(Europäische Hochschulschriften - Reihe XX Philosophie, Bd. 630)
Geschichte spielt eine zentrale Rolle in den kulturphilosophischen Werken von Walter Benjamin (1892-1940) und Siegfried Kracauer (1889-1966). Angesichts der Krisentendenzen der Moderne erkennen sie die prekäre Verbindung von Geschichte und Philosophie im zeitgenössischen Denken: Sie nehmen Abschied von der Vorstellung einer linearen Geschichte im Fluss der Zeit, von der Idee des Fortschritts und der Zielverwirklichung wie überhaupt von der Annahme eines philosophisch-systematischen Verständnisses, das Ordnung und Transparenz in der Geschichte verspricht. Im Ergebnis ist und bleibt Geschichte eine offene Frage und eignet nicht zur philosophischen Betrachtung. Geschieht dies doch, ist sie mehr Projekt und Projektion denn adäquater Spiegel der Wirklichkeit(en). Wenn diese Position heute weitgehend Akzeptanz erlangt hat, so ist es die Erfahrung der gesellschaftlich-kulturellen Krisen des 20. Jahrhunderts, die das philosophische und geschichtliche Denken in Bewegung brachte.
Vorwort. Von Wolfgang Eßbach
I. Geschichte und Gesellschaft im 20. Jahrhundert
Der archimedische Punkt: Beginn einer Einleitung
Am Ende eines Jahrhunderts
Jahrhundertbilanz: Die epochalen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts
Geschichte und gesellschaftliche Erfahrung
Benjamin, Kracauer und die Krise des historischen Denkens
II. Walter Benjamin: Krise der Moderne – Vom Mangel an Erfahrung zum Bewusstsein von Geschichte
1. Vorgeschichte: Bewegte Jugend
2. Nach den Stahlgewittern
Verkümmerung der Erfahrung
Destruktion und Neuanfang
3. Kritik von Geschichtsphilosophie und Historismus
Das illegitime Band von Weltgeschichte und Heilsgeschehen
Kritik der Jupitergeschichte
Moderne als ewiger Zerfall und dessen Aufhalter: Von der Kritik zur Konstruktion
4. Warum Theologie?
Pessimismus, Melancholie, Enttäuschung?
Theologische Reontologisierung oder Kritik?
›Geschichte als Form der Religion denken‹
5. Geschichte als ›Von Fall zu Fall‹
›…dass der ›Ausnahmezustand‹, in dem wir leben, die Regel ist‹
Krieg als Boden der Gesellschaftsbeziehungen
Geschichte als Fall in den theologischen Ausnahmezustand
›die Herbeiführung des wirklichen Ausnahmezustandes vor Augen‹
6. Theorie der Geschichte
Das 19. Jahrhundert als ›Zeit-traum‹
Der historische Materialist als Traumdeuter und Dompteur des Historischen
Geschichte als Diskurs beweglicher Felder
Die dialektische Stillstellung des historischen Feldes
7. Die Erneuerung des Profanen
Die Unterdrückten als das Subjekt der Geschichte
Klassenlose Gesellschaft als theologische oder materialistische ›Erlösung‹?
8. Geschichte als theologischer Ausnahmezustand
III. Siegfried Kracauer – Vom Problem der Wirklichkeitsbilder: Gesellschaft, Physis, Geschichte
1. Unzeitgemäße Betrachtungen eines ›abgrundtiefen Realisten‹
Zwischen Logizismus und den letzten Dingen
Ein unangenehmer Realist – der Humanität verpflichtet
Zum Nachweis einer exzentrischen Position zur Moderne
2. Erfahrungsverlust im ›Zeitalter des Wartens‹ (1920-1925)
Kritik der Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft
Materiale Soziologie und Geschichte
Die Ordnung der Wirklichkeit und ihre Geschichte
Zwei Arten der Mitteilung
Erkenntnisanthropologie: Zur existentiellen Struktur des Menschen
Gesellschaftliche Erfahrung von Moderne
Zwischenbetrachtung: ›Schwierige Moderne‹
3. Materialismus und Bekenntnis zur Wirklichkeit (1925-1929)
Radikalisierte Kritik und ›inverse Theologie‹
Von der Kritik zur Konstruktion: Vollendung der Moderne?
Rückwendung zur mikrologischen Arbeit
Zwischenbetrachtung: Kurze ›ungeliebte Moderne‹
4. Exterritorialität und Exil (1929-1966)
Im ›Vakuum der Exterritorialität‹
Der Weg durchs Exil ins geistige ›Außereuropa‹
Lebensweltliche Historiographie: Die Errettung der vergangenen Wirklichkeit
5. Ausgang aus einer selbstverschuldeten Moderne
IV. Zum Wandel im Begriff der Geschichte
1. Die klassische Moderne als geschichtsphilosophischer Kulminations- und Wendepunkt
2. Das geschichtsphilosophische Projekt der Moderne
Hegels eschatologische Wende zur Geschichtsphilosophie
Weltordnung und Heilsversprechen: Der Mythos vom Projekt der Moderne
Die Probleme des Historismus als das Leiden an der ›Weltgeschichte‹
3. Das postmoderne Ende der okzidentalen Geschichte
Benjamins und Kracauers kopernikanische Wende in der geschichtlichen Anschauung
Die Krise der Moderne als das Problem ihrer ›Projektionen‹
Die Wiederkehr des Orients im Begriff der Geschichte
V. Vom Nutzen und Nachteil der Historie für die Politik
Historia – magistra vitae?
Postmoderne Moderne und doch kein Ende mythologischer Projektionen
Literatur